Die wichtigste Botschaft ist: Momente schaffen, sich fragen: was hilft mir, den Moment zu leben, glücklich zu sein? Was tut mir gut?
Bastian Rütten

Interview mit dem Pilgerseelsorger Bastian Rütten aus Kevelaer
Es ist ja ein bisschen kalt draußen und vielleicht gibt es die Sehnsucht jetzt im Winter, sich es gut gehen zu lassen. Und vielleicht hast du ein paar Tipps dazu?
Ja, also das ist immer schwer. Ich meine, die Weisheit habe ich nicht mit Löffeln gefressen, aber ich glaube, wir müssen uns daran erinner: Wir sind Erinnerungsgemeinschaft für Wohlfühlmomente. Nicht jeder ist nur für alles verantwortlich, und ich bin auch nicht für alles verantwortlich. Aber für mein Umfeld bin ich mitverantwortlich, und auch vor allen Dingen für mich selber. Und ich glaube, die wichtigste Botschaft ist: Momente schaffen! Also gar nicht zu glauben, dass ich mir das große Glück konstruieren muss. Ich muss den ganzen Winter glücklich sein. Wie schaffe ich das jetzt, die dunkle Zeit komplett zu überstehen?
Sondern sich fragen: was hilft mir, den Moment zu leben, glücklich zu sein? Was tut mir gut? Und im Winter hat das auch mit Essen und einer körperlichen Haltung zu tun. Wir gehen geducktem Kopf, die Mütze im Gesicht...Sich aufrichten und aufrecht gehen, Nicht nur beim Laufen und beim Aufstehen, sondern auch als innere Haltung ist wichtig. Und dann, aus den vielen Momenten Kraft schöpfen, die uns der Winter mit seinen Festen und Zeiten eben anbietet. Da gibt es unendlich viel zu entdecken. Und das ist auch überall wichtig.
In Kevelaer, wo du auch ein pastoraler Mitarbeiter bist, Seelsorger, da gibt es ja das volle Programm, die ganzen Traditionen und dann ist man begeistert, wenn man da ist. Aber was kann ich in den Alltag retten?
Leute pilgern zu uns,, ob sie nun am Tag kommen, aus dem zu Fuß kommen, ob sie mehrere Tage laufen oder Rad fahren, ob sie für den Tag mit dem Auto kommen und gar nicht als Pilger erkennbar sind, sondern als Tourist. Wir machen die Erfahrung, dass Unterbrechung der erste Schritt ist, also wirklich sich ganz knallhart zu verabreden: Ich komme jetzt heute mal der Welt abhanden. Ich glaube, das ist das Erste, was man in den Alltag retten kann. Das geht immer wieder verloren, deswegen braucht man ja immer einen Booster. Also wenn du einen Ort hast, wo du hingehst und der schafft, dich zu unterbrechen.
Das ist nicht immer der Garant dafür, dass alles gut bleibt. Aber ich brauche diese Orte, wo das geht. Also eine Unterbrechung ist wichtig, und dann kleine Rituale zu haben. In Kevelaer sind es besonders die Kerzen, die wir vor diesem kleinen Gnadenbild anzünden. "Trösterin der Betrübten". Und das sind die beiden Schlagworte, die auch bei all dem, was wir an Tradition mitschleppen, nie altern. Wir sind also ewig jung, würde ich mal sagen. "Betrübnis" würden wir heute nicht mehr sagen. Sondern eher: "Mir geht es schlecht, da und da, und ich bin überarbeitet." Oder: "Ich bin kurz vorm Burnout." Das sind alles Begriffe, die wir haben, wo wir eben sagen, da brauche ich Tröstung, und die kriegen wir, glaube ich, nur, wenn wir mit kleinen Ritualen anfangen, aber die irgendwie in Gemeinschaft hinkriegen. Das ist ganz wichtig mittlerweile, weil wenn wir mit der Gemeinschaft unserer Kirche werben. Wir haben viele Fragezeichen,, auch zu Recht. Das muss man sagen. Was der Laden ausgemacht hat, ist schwierig. Aber die Botschaft, die wir haben, das sag ich immer, die gehört nicht uns. Sie gehört nicht der römisch-katholischen Kirche, die gehört nicht dem Papst, nicht der Bischofskonferenz, die gehört auch nicht dem Synodalen Weg.
Die Botschaft gehört den Menschen, jedem Menschen. Egal, ob der katholisch, evangelisch ist, ob der von Christus gehört hat. Und das ist das Wichtige, finde ich, dass wir daran arbeiten. Jeder für sich. Also eine Kerze anzuzünden und auch ein Gebet zu sprechen, selbst wenn es keines ist, was eigentlich mit dem Namen so ist, sondern was versucht, etwas in Sprache zu bringen, was wir sonst runterschlucken, was wir sonst verdrängen.
Das ist, glaube ich, die wichtigste Botschaft, die wir haben als Gemeinschaft der Kirche und auch als Hoffnungsgemeinschaft, mit der wir so unterwegs sind.
Ganz herzlichen Dank, Bastian, für dieses Interview!
Alles Gute! Gute Zeit. Danke!
