Seelsorge auf dem Friedhof

Ingrid Müller aus Horressen ist ehrenamtliche Seelsorgerin und hat jeden ersten und dritten Samstag im Monat ein offenes Ohr für jeden, der gerade eine schwierige Zeit durchmacht oder einfach einen Ansprechpartner sucht. Sie freut sich mit warmen Getränken darauf, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit Pastoralreferent Gunnar Bach
ist sie von 10 bis 12 Uhr auf dem Friedhof in Horressen anzutreffen. Aber was genau kann man sich darunter
eigentlich vorstellen und wer kann das Angebot in Anspruch nehmen? Wir haben nachgefragt!
Was genau ist „Wir hören zu“?
Ingrid Müller: Wir hören zu ist die Möglichkeit, mit einer Person zu sprechen, die man vielleicht kennt, die man vielleicht aber auch gar nicht kennt. Der Austausch und das Befinden stehen im Mittelpunkt – wie geht es jemanden gerade? Das bringt die Menschen hierher.
Wie verläuft ein Gespräch, wenn jemand vorbeikommt?
Ingrid Müller: Meist treffe ich bereits bei einem Rundgang über den Friedhof verschiedene Personen und frage, ob sie gerne gemeinsam eine Tasse Tee oder Kaffee in der Friedhofshalle trinken möchten. So entwickelt sich dann ein Gespräch. Dabei sage ich jedem, dass alles, was wir besprechen, im Raum bleibt. Somit herrscht eine sichere Umgebung, in welcher man sich so öffnen kann, wie einem gerade zumute ist.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, das Format ins Leben zu rufen?
Ingrid Müller: Ich wurde bereits darauf angesprochen, da ich ehrenamtliche Seelsorgerin bin. Darüber hinaus habe ich in den
letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass mir auf dem Friedhof Menschen begegnen, die gerne angesprochen werden möchten. Im Laufedieser Gespräche entstehen dann Fragen und Anliegen, zu welchen ich auch mal einen guten Ratschlag geben kann, der meinem Gegenüber möglicherweise auf seinem Weg hilft. Im September haben wir damit hier auf dem Friedhof in Horressen gestartet. Anfangs haben wir unterschiedliche Tage und Zeiten getestet, um zu sehen, wie der Zulauf auf dem Friedhof überhaupt ist. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Samstagmorgen ein geeigneter Zeitpunkt ist, da viele in diesem Zeitfenster verstorbene Angehörige besuchen und deren Gräber herrichten.
Muss man für das Angebot etwas bezahlen?
Ingrid Müller: Nein. Ich komme einfach nur hierher, bin da und höre zu. Ich bin so lange da, wie mein Ansprechpartner mich gerade braucht. Und ich komme auch immer wieder, wenn er das wünscht. Und das ist es, was ausschlaggebend ist: Da sein – Zeit haben – und den Menschen so nehmen, wie er ist.
An wen richtet sich „Wir hören zu“ und wer darf kommen?
Ingrid Müller: Kommen darf jeder. Ob jung, ob alt, ganz gleich, welcher Religion man angehört. Jeder ist hier herzlich willkommen, so wie er ist. Keiner muss sich anmelden, man ist immer herzlich willkommen.
Gibt es sonst noch etwas, das Sie gerne sagen möchten?
Ingrid Müller: Diejenigen, die schon einmal hier gewesen sind, sind sehr dankbar für dieses Angebot und sagten mir, dass sie niemals geglaubt hätten, dass eine Friedhofshalle so gemütlich sein kann und einen so guten Ort für Gespräche bietet (lacht).